Freitag, 21. Mai 2010

Aufregung um ein kleines Logo - oder: Lasst uns besser reden…

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20. Mai 2010/Inge Seibel via. ingeseibel.de. Abmahnungen sind in der Netzgemeinde ein Reizwort. Das hat zwei Gründe. Zum einen wird gerade in jüngster Zeit vermehrt versucht, per Abmahnung unliebsame und meist wenig zahlungskräftige Kritiker zum Schweigen zu bringen. Zum anderen gibt es auf Marken- und Urheberrecht spezialisierte Anwaltskanzleien, die in der Vergangenheit - nicht selten auf eigene Initiative - Massenabmahnungen mit hohen Geldforderungen verschickten. Ihnen wird vorgeworfen, es gehe ihnen weniger um die Eindämmung von Urheberrechtsverletzungen als vielmehr um den Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung. Dabei hat die Abmahnung eigentlich die Funktion, Streitigkeiten auf direktem und kostengünstigem Weg ohne Einschaltung eines Gerichts beizulegen.

Vor diesem Hintergrund sollte man auch die Aufregung um einen Markenzwist zwischen dem ehrenamtlich von Studenten betriebenen Radio Q aus Münster und der audio media service Produktionsgesellschaft, kurz "ams", mit Sitz in Bielefeld betrachten.

"aufreger der woche: privatsender-kette mahnt campusradio ab - wie radio waf, radio gütersloh, radio bielefeld und co. auf den nachwuchs pfeifen"

- schreibt Medienblogger Daniel Fiene in seinem privaten Blog und löst einen Sturm der Entrüstung aus. Was war geschehen?

Die ams, als Full-Service-Agentur, kümmert sich im Auftrag der Betriebsgesellschaften sieben lokaler Hörfunkstationen in NRW um deren technische und betriebswirtschaftlichen Belange. Zu diesen Sendern gehören unter anderen Radio WAF, Radio Bielefeld und Radio Güterloh. Für alle seine Sender lies die ams ein gemeinsames Logo entwickeln und es markenrechtlich schützen. Wie es üblich ist, wurde ein Markenrechtsanwalt damit beauftragt, die Einhaltung der Urheber- und Markenrechte zu überwachen, damit es nicht zu "Kollisionen" kommt, wie es im anwaltsdeutsch so schön heißt.

Radio Q wiederum ist ein sehr ambitioniertes und ehrenamtlich von Studenten betriebenes Campusradio aus Münster. Gerne greifen die Lokalsenderchefs auf der Suche nach neuen Talenten und Nachwuchs auf die oft schon bestens vorgebildeten Unifunker zurück. Im August 2008 präsentierte Radio Q nach einem Design-Wettbewerb stolz sein neues Logo. So weit, so gut.

Bis zum Mai 2010. Da flatterte den völlig verdutzten Studenten das Schreiben einer Anwaltskanzlei im Auftrag der ams auf den Tisch. Stein des Anstoßes sind vier Buchstaben im Logo des Studentensenders : "25.000 € sollten wir bezahlen, unser Logo sofort vernichten, da wir angeblich gegen das Markenrecht verstoßen hätten", erzählt Benedikt Meyer vom Studentenradio. "Unser Logo würde dem markenrechtlich geschützten Logo der ams-Sender zu sehr ähneln, so dass eine Verwechslungsgefahr bestünde."

Ratlosigkeit und blankes Entsetzen machte sich unter den ehrenamtlichen Hörfunkern breit. "Eigentlich wollen wir nicht mehr als gutes Radio machen, da stecken wir viel Engagement und Freizeit rein", sagt Meyer. "25.000 € können wir unmöglich zahlen, da bleibt nur noch dicht machen." Hilfe kam von einem Professor der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Münster. Offensichtlich ist die Verwechslungsgefahr nicht ganz aus der Luft gegriffen. Vielleicht auch scheute man den teuren Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang; jedenfalls riet der Professor den Studenten zu einem versöhnlichen Gespräch mit der ams.

Geschäftsführer bei der ams ist Uwe Wollgramm. Der zeigte sich nach einem klärenden Telefongespräch bereit, auf jegliche Abmahnkosten oder Schadensersatzansprüche zu verzichten, falls das Logo sofort aus dem Verkehr gezogen werde.

Die ganze Aufregung, die jetzt trotzdem entstanden ist, versteht er nicht: "Ich dachte, wir hätten das auf dem kleinen Dienstweg zur Zufriedenheit aller geklärt. Nun wird hier einseitig berichtet, nur weil wir unsere Interessen verteidigt haben." Auch den Vorwurf, es sei mit Kanonen auf Spatzen geschossen worden und warum Wollgramm nicht lieber gleich zum Telefon gegriffen habe, bevor eine Anwaltskanzlei unter den Studenten Angst und Schrecken verbreitete, mag Wollgramm nicht wirklich gelten lassen: "Selbstverständlich geht es uns nicht darum, ein Campusradio anzugreifen oder gar wirtschaftlich zu schädigen. Aber unser Logo wurde in der Vergangenheit schon so oft von unterschiedlichen Vereinigungen und Unternehmen missbraucht, zu deren eigenem Vorteil. Es ist ein ganz alltäglicher Vorgang, dass eine Kanzlei die Einhaltung unserer Rechte überwacht. Im Falle eines Rechtsbruchs gehen Schreiben mit der Forderung auf Unterlassungserklärung raus und der Hinweis auf entstehende Schadensersatzansprüche, falls unsere Rechte weiterhin nicht beachtet werden."

Bleibt noch der Vorwurf, warum man das Logo zwei Jahre lang nicht beanstandet habe. Auch das kann Wollgramm erklären: "Die Studenten haben kein Markenrecht für ihr Logo angemeldet, also bleibt es dem Zufall überlassen, ob unsere Anwälte auf eventuelle Rechtsverletzungen stoßen. Und das ist eben jetzt geschehen."

Was im Geschäftsleben offensichtlich zum Alltag gehört, war für die Studenten erst mal ein Realitätsschock. "Wir hätten uns sehr gewünscht, die ams hätte gleich das Gespräch mit uns gesucht. Zunächst mal waren wir alle sehr entmutigt", beschreibt Stephan Niemand die Stimmung beim Studentenradio. Mittlerweile aber wird schon fleißig am neuen Logo gebastelt. Die beanstandeten Buchstaben werden abgeändert, das Grundmotiv des Logos bleibt erhalten.
"Kosten entstehen für uns natürlich trotzdem", sagt Benedikt Meyer und er denkt dabei ans Briefpapier und die bereits bestellten Merchandisingartikel wie Kugelschreiber und Feuerzeuge, die jetzt mit dem alten Logo nicht mehr verteilt werden dürfen. Aber vielleicht hilft ja auch hier ein klärendes Gespräch. Die ams hat bereits bei der Erstellung des neuen Logos kostenlose Hilfe angeboten.

"Nutznießer" der ganz anderen Art vom Streit um das Logo waren die Sender Radio Gütersloh und Radio Bielefeld. Bei beiden "brannten" am heutigen Donnerstag die Facebookseiten aufgrund einer emotionsaufgeladenen Diskussion. Martin Knabenreich, Chefredakteur von Radio Bielefeld, bedauert das sehr. "Ich habe selbst erst gestern Nacht von dem ganzen Vorgang erfahren. Wer das 2-Säulen-Modell in NRW kennt, der weiß, dass wir als Veranstaltergemeinschaft nur für das inhaltliche Programm verantwortlich sind. Wir haben überhaupt nichts gegen Radio Q, in keiner Weise. Im Gegenteil, wir kooperieren gerne mit den Studentenradios."

Mittlerweile hat Daniel Fiene auf seinem Blog eine Stellungnahme der ams zur ganzen Aufregung veröffentlicht und ein paar persönliche eigene Worte hinzugefügt: "Ich habe Herrn Wollgramm angerufen und mich für die Stellungnahme bedankt und noch einmal darauf hingewiesen, dass ich keine journalistische Sorgfaltspflicht verletzt habe, da ich ja nur persönlich gebloggt habe. Im Nachhinein denke ich: Ich hätte vorher doch bei der AMS anrufen sollen. Stattdessen war mein Blog-Eintrag ja ein bisschen so, als hätte ich direkt eine Abmahnung geschickt."

Nun können alle wieder ruhig schlafen gehen…